Sri Lanka

Ms Sri Lanka

Glitschiges Glück

 

 

 

Die Bootsfahrt über den Bentota-Fluss dauert nur wenige Minuten. Die Insassen sind von einem Sonnensegel geschützt, der Außenborder könnte mal eine Überholung vertragen. Aber bevor er anfängt, richtig zu stören, legt das Boot auf Paradise Island an. Und alles ist gut. 

Das Sri Budhasa liegt auf einer Halbinsel, auf der einen Seite der Fluss und auf der anderen der palmengesäumte Strand des Indischen Ozeans. Die zumeist eingeschossigen Gebäude sind aus dunkelrotem Klinker, ebenso die Dachziegel. Im Zentrum liegt der offene Speiseraum, umgeben von Blumen und Büschen. Obendrüber Sonne.

Das Sri Budhasa ist ein Ayurveda-Resort in Bentota, ca. zwei Autostunden südlich vom Flughafen Colombo. Es steht unter der Aufsicht der Schweizer Ärztin Dr. Rita Albietz und verbindet ayurvedische Medizin mit westlichen Komponenten. Das sieht so aus:

Kaum hat der Kurgast den Fluss überquert, wird er zunächst einer Anamnese unterzogen. Zwei junge Ärzte gehören zum Haus. Sie untersuchen zum Beispiel den Puls. Mit drei Fingern, denn jeder Finger nimmt wie ein Sensor einen anderen Wert. Die Geschwindigkeit des Pulsschlags wird gemessen, dann aber auch die Wärme des Blutes, sein Druck und sein Bewegungscharakter – der Arzt will wissen, schlägt der Puls unruhig und hüpfend wie ein Affe, oder schwerfällig und gleichmäßig wie ein Büffel im Trott. Die Zunge wird inspiziert, ebenso die Augen und dann spielt noch der Gesamteindruck der Körperhaltung eine Rolle.

Jetzt gibt es erste Massage – nach zwölf Stunden Flug und zwei Stunden im Auto eine Wohltat, eine tiefe Entspannung. Der Kurgast schwimmt im Öl. Das Öl soll nicht allein dem Masseur die Arbeit erleichtern, im Öl sind spezielle Kräuter und Hölzer  gelöst, die eigens für den einzelnen Kurgast zusammengestellt werden. Dem steigt ein herber, fast mooriger, öliger Duft in die Nase – nach einigen Tagen hat der Kurgast das Gefühl, er sei perfekt mariniert.

Nach und nach gewöhnt man sich ein. Man lernt die Mitarbeiter kennen, trifft auf Tommy, den Haushund, der – wie es am schwarzen Brett heißt – jeden Tag im Meer baden geht, um das Fell sauber zu halten. Tommy ist ein ehemaliger Straßenköter und sehr autonom, allenfalls grüßt er im Vorbeilaufen. 

Abends gibt es die erste Medizin, ein Schnapsglas voll von einem dunkeln Saft oder Kräutersud, herb, aber im Abgang leicht nach Weihrauch schmeckend. Dazu zwei kleine Pillen, offenbar handgedreht, mit der optischen Anmutung von Hasenkötteln. Diese Medizin wird im Resort sehr authentisch zubereitet – wenn bitter, dann bitter. Keine Zugeständnisse an verzärtele Westler. Der Kurgast schluckt all das mit derselben Hingabe wie daheim die gelben, blauen und roten Pillen mit dem unheilverkündenden Beipackzettel. Ayurvedische Arzneimittel stammen aus der Natur und haben deshalb keine Nebenwirkungen, heißt es.

Falsch, sagte am nächsten Morgen Professor Cooray. Wie jede andere Medizin kann auch die ayurvedische bei falscher Dosierung gefährlich wirken. Man braucht einen guten Arzt, sagt er. Dr. Cooray hat früher die größte Klinik in Sri Lanka geleitet, auf seiner Visitenkarte versammelt er eine kaum überschaubare Liste von Titeln und Wirkungsstätten. Der Professor ist eigentlich auf Rente, kann es aber nicht lassen. 

In demselben Raum, in dem am Vortag der Kurgast von den zwei jungen Hausärzten untersucht worden war, (die Wände grün lackiert, der Tisch mit weißen Kacheln eingelegt, unter der Decke der Ventilator) sitzt nun der Professor. Und plötzlich hat der Raum eine völlig andere Aura, eine, die man fast mit Händen greifen kann. Die Luft ist schwer geworden von dem Wissen, der Erfahrung und der Bedeutung dieses Mannes. Der Mann sitzt am Tisch und liest die Unterlagen. Der schmächtige Dr. Coory strahlt mühelos jenen halbgottgleichen Status aus, den deutsche Chefärzte immer für sich einforderten. 

Ayurveda, lehrt Dr. Cooray, ist die Wissenschaft vom Leben. Vor 5000 Jahren trafen sich Gelehrte aus der Mongolei, Sri Lanka, sogar Griechenland zu einem ersten Treffen, eine Art WHO. So sagen es, lehrt Dr. Cooray, die alten Bücher. 

Die Weisen haben festgestellt, dass das Leiden der Menschen aus vielen Ursachen entsteht: mangelnde spirituelle Kräfte, schlechtes Verhalten, schlechtes Denken und Infektionen. Sie fanden heraus, dass es psychische und physische Krankheiten gibt. Das alles ließ sich zurückführen auf drei Biosubstanzen:

Vata – die Bewegung, die working power.

Pitta – der Stoffwechsel im Körpergewebe, die Körperchemie

Kapha – die Körpergestalt – Muskeln, Haltung, Figur

Wenn diese in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen, ist der Mensch gesund, körperlich und geistig. Sind sie schlecht ausbalanciert, dann liegt eine Krankheit vor oder der Mensch ist auf dem Weg in eine Krankheit.

Um das Verhältnis der drei Biosubstanzen zu beurteilen, hilft ein Blick auf die  Zunge, ins Auge oder das Gefühl, das die Berührung mit der trockenen oder feuchten Haut des Patienten dem Arzt vermittelt. Aus dem Ergebnis werden die Speiseempfehlungen und Anwendungen zusammengestellt.

Massagen sind die Seele der ayurvedischen Anwendungen. Die Grundidee ist, dass durch die Massagen Giftstoffe im Körper gelöst und dann auf natürlichem Wege abgeführt werden. 

Die Behandlungsräume im Sri Budhasa sind schlicht, es gibt kein Wellness-Chichi. Hölzerne Liegen mit einem Polster sind das Arbeitsmittel. Und die Hände des Masseurs. Der Kurgast, minimal bekleidet, nimmt Platz auf der Liege, schließt die Augen und tut nichts. Er bekommt Kopfmassagen, Ganzkörpermassagen und Fußmassagen: eine nach der anderen! Der Kurgast liegt herum und wird durchgeknetet, dass es eine Freude ist.

Eine andere Methode ist der Stirnölguss: Der Kurgast liegt rücklings auf der Liege, der Kopf ruht auf einem Nackenpolster. Ein schützendes Tuch wird ihm über die Augen gelegt. 

Zwei Therapeuten sind am Werk - während der eine an einem kleinen Öfchen für Nachschub sorgt, lässt der andere ganz langsam und gleichmäßig das Öl über die Stirn des Kurgastes fließen. Mit bewundernswerter Konzentration gelingt es ihm, entlang dem Haaransatz von links nach rechts und rechts nach links und links nach rechts einen feinen, gleichmäßigen Ölfaden niederfallen zu lassen. 

Der Stirnhöhlenguss soll Vitalpunkte am Haaransatz und auf der Stirn stimulieren. Im klinischen Einsatz wird er für Patienten verwendet, die mit Paralysen oder Einschränkungen des Bewegungsapparats zu kämpfen haben.

Zunächst spürt der Kurgast eine tiefe Entspannung, ein wunschloses Weggleiten nach hinten, dorthin, wohin das Öl abfließt. Dann stellt sich das Gefühl ein, dass nichts mehr wichtig ist in Raum und Zeit. Und am Ende empfindet er noch Minuten lang ein leichtes Schwindelgefühl, eine wohlige Orientierungslosigkeit.

 

Nach ca. zwanzig Minuten wird dem Patienten durch eine leichte Berührung am Arm bedeutet, dass das Glück vorüber sei. Das überflüssige Öl wird aus den Haaren gedrückt. Für den verbleibenden Rest bekommt er ein Tuch aus der fashion line „Trümmerfrau“ um den Kopf geschlungen. Das sieht einigermaßen idiotisch aus, dient aber der Gesundheit, denn das Öl soll noch weiter einwirken. 

Für die nächsten zwei Stunden gibt der Kurgast ein durchaus lächerliches Bild ab, dann kann er sich das Öl auswaschen und sein Erscheinungsbild korrigieren.

So gesehen ist eine Ayurveda-Kur auch eine wundervolle Paartherapie: Wer seinen Partner oder seine Partnerin an mehreren Tagen in so einem Aufzug erlebt hat, hat gelernt, viele Zumutungen ertragen. 

Die dann auch alsbald eintreten: Zur Kur gehört im Regelfall auch eine Darmreinigung – die hier nicht ausführlich behandelt werden sollen, nur so viel: Da Schlafzimmer und Bad nur durch eine dünne Wand getrennt sind, entsteht bei dieser Behandlung eine Form von Nähe, wie man sie eigentlich nie wollte. 

Das überstanden zu haben und trotzdem zusammen geblieben zu sein, berechtigt zu den kühnsten Erwartungen.

Am nächsten Morgen ist das Wetter wieder fantastisch, der Himmel ewig blau, der kilometerlange Strand leuchtet in der Sonne, die Wellen brechen sich an der Wassserlinie. 

Die meisten Gäste sind grauhaarig, haben Yoga- oder sonstige Sporterfahrung, sind Anwälte, Angestellte oder Unternehmer in mittelständischem Maßstab. Die einzige gemeinsame Aktivität der Kurgäste sind die Mahlzeiten. Es gibt Kürbissuppe und Gemüsesuppe in vielen Varianten. Es gibt roten Reis und Basmatireis, gern auch mit Knoblauch, dazu vegetarische Nudeln, durchmischt mit Karottenschnitzen und Lauch. Es gibt ein Curry aus Bananenblättern, viele verschiedene Linsen-Currys, Gemüsemischungen mit Kartoffeleinlage, Kürbispüree, Kürbiscurry und Kürbiskuchen. Es gibt Cremespeisen aus Orangen oder Passionsfrucht, die die Kraft haben, alle Diätgrundsätze zur Hölle zu schicken. Alles, was auf den Tisch kommt, ist mit einem genauen Hinweis versehen, für welchen Vata, Pitta oder Kapha-Typ die jeweilige Zutat die richtige Ernährung ist. 

Nach und nach finden sich im offenen Speiseraum Tischgemeinschaften und Gesprächsrunden. Aus den Plaudereien geht hervor, dass die meisten von ihnen bis zum Anschlag gearbeitet hatten und völlig ausgebrannt hier ankamen. 

Nach einer Woche hat sich das Bild völlig gewandelt. Alle fühlen sich wieder obenauf, alle sind sie verblüfft, wie schnell die Kur die Energiereserven wieder auffüllt. Das Essen, die Ruhe, der Verzicht auf den alltäglichen Alkohol, das allein könnte schon für einen tief greifenden Erholungseffekt sorgen. Aber dann kommen noch die Anwendungen der Kur hinzu, die anscheinend Wunder wirken.

Dr. Albiez hält aus medizinischer Sicht diese Kombination von Urlaub (die eine Hälfte des Tages ist den Anwendungen gewidmet, die andere dem Strandleben, dem Sonnenbaden oder den Ausflügen) für sehr wünschenswert, weil der Patient ganz aus seinen Alltagsbezügen (und damit den manchmal schlechten Gewohnheiten) herausgenommen ist und sich völlig auf die Wiederherstellung von Körper und Geist konzentrieren kann.

Nach der ersten Woche wird der Kurgast zur Zwischenuntersuchung gebeten. Nach der Pulsmessung zeigt sich, dass der Vataspiegel stark gesunken ist,dass man also eine deutliche Entspannung nachweisen kann.

Der Kurgast selbst findet, dass dank einer Öltherapie die ewig verstopften Nasenhöhlen freier atmen. Dass die gezerrte Schulter dank der täglichen Massagen wieder in alle Richtungen beweglich ist. Dass das aggressive Pfeifen des Tinnitus einem harmlosen Schnurren gewichen ist. Ganz allgemein ist das Befinden hervorragend und zum Beweis führt der Kurgast an, dass er, nach langen, müden Wochen ohne Sport vor der Reise, schon nach wenigen Tagen aus lauter Bewegungsübermut mit Strandläufen begonnen hat. 

Und jetzt er hat noch eine ganze Woche vor sich!

 

Kasten

Kontakt zu Sri Budhasa 

Über:

Eva Schulz

Sri Budhasa
Dornacherstrasse 232
CH-4053 Basel
Tel 0041 61 3030890
e-mail:s.budhasa@datacomm.ch
homepage: www.sribudhasa.com

Die Therapiekosten werden von deutschen Krankenkassen

Teilsweise oder komplett übernommen, nähere Informationen 

bei Sri Budhasa oder der jeweiligen Krankenkasse.

 

Von Frankfurt nach Colombo fliegt Sri Lankan Airways. Das Essen an Bord ist nur mit Zurückhaltung zu empfehlen. 

 

Die Früchte-Mousse: (die Maßangaben pro Person scheinen nicht übertrieben präzise – es entscheidet das Auge des Kochs) 

2Eiklar

halber Teelöffel Gelantine

10 gr. brauner Zucker

100 gr. geschlagene Sahne

3 Passionsfrüchte oder Orangen oder Mango

Das Eiklar sämig schlagen, dann die Früchte untergeben, dann die Sahne, immer weiter schlagen, umrühren, zum Schluss die Gelatine, zum Anrichten eine weitere Frucht ausnehmen und das Fruchtfleisch zur Hälfte unter und über die Mousse schütten. Eine halbe Stunde im Kühlschrank aufbewahren. Gut für Kapha-Typen.

 

© Paul Stänner