Karibik

Haie und Delphine

Auf den Bahamas im Wasser

 

 

Auf dem offiziellen Formular muss man erklären, warum man in die Bahamas einreisen möchte. Folgende Gründe gelten als angemessen, in dieser Reihenfolge: Hochzeit – Hochzeitsreise – Urlaub – Casino – andere Geschäfte.

Auf dem Einreiseformular nicht aufgeführt sind Träume von großen und kleinen Jungs. In jedem Touristen steckt ein bisschen James Bond. Und in nahezu jeder Episode muss Bond einmal nach Nassau, an den feinen Strand oder ins feine Casino. Und dann ist da noch klammheimlich die nie überwundene Kinderzimmer-Romantik vom freien Leben der Piraten unter tropischer Sonne, womöglich an der Seite der schönen Keira Knightly im hoch geschnürten Seeräuberleibchen.

Oder so ähnlich. Gäbe es keine Träume, würde es die Bahamas nicht geben.

Die Sonne zögert noch, als wir auf eine der 700 Insel der Bahamas übersetzen. Dolphin Cay ist eine große Anlage, wo man mit Delphinen macht, was verspielte Touristen und richtige Kinder mit Delphinen machen. Erst gibt es einen ausführlichen Vortrag, damit man weiß, was Delphine sind und warum man sie lieben und schützen muss. Dann geht es zu den Tieren. Im Becken sind drei von ihnen, darunter Jack (32), der ein Star ist, weil er in einem Film mitgespielt hat, dessen Titel alle richtigen Kinder kennen. Die erwachsenen Kinder steigen in den Pool, bilden eine Reihe und treten Wasser nach der Art des Pastors Kneipp, um gesund zu bleiben und nicht zu ertrinken.

Die Tiere führen vor was sie können (Sprung links, Sprung rechts, durchs Wasser jagen, explosionsähnliche Geräusche machen, die ein Mensch im Pool nicht machen dürfte) und jedes Mal gibt es zur Belohnung einen Fisch.

Die Trainerin ist jung, schwarz, trägt eine Krone aus bebenden Locken und wird von den Delphinen angehimmelt. Leashannon, so heißt die Schöne, freut sich jedes Mal, wenn die Delphine tun, was sie ihnen anzeigt. Dann gibt sie ein ausgelassenes Tänzchen und greift in die Kühlbox. Die Delphine richten sich hoch auf und fangen kalten Fisch.

Jetzt werden die Wasser tretenden Touristen gebeten, paarweise vorzupaddeln und sich mit den Tieren anzufreunden. Glücklich kichern amerikanische Studentinnen. Sich von einem Delphin in die Flossen nehmen zu lassen, mag ja noch angehen - und diejenigen, die es erlebt haben, schwärmen von einem ganz besonderen Gefühl auf der Haut.

Sich aber von einem notorischen Kaltfischfresser mit Mundgeruch küssen zu lassen, bedarf einer besonders brennenden Tierliebe, die vielleicht nicht jeder empfindet.

Zum Abschluss dr Höhepunkt: Im schwarzen Surfanzug legt man sich flach ins Wasser, Arme, Beine weit auseinander, Füße gerade aufgestellt. Leashannon schickt zwei Delphine. Die richten ihre Nasen aus auf die Fußsohlen des Gastes und treiben ihn auf einer hohen Bugwelle durch das Wasser. Der Gast empfindet ein Poseidon-Gefühl, er ist Gott auf schäumenden Salzen, Herrscher der gebändigten Fluten. Nur für einige schöne, intensive Sekunden - dann biegen die Delphine ab, weil es wieder Fisch gibt.

Poseidon versinkt und macht Brustschwimmen bis zur Leiter.

 

Wir bleiben auf dem Wasser. Das Ding im Hafen von Paradies Island sieht aus wie etwas Militärisches, irgendwie breitschultrig mit spitzer Nase. Das Powerboat.

Nigel rät – da dösen die Maschinen noch sonor im Halbschlaf - man solle die Brille wegstecken und Sonnenkappe festhalten. Und legt den Hebel nach vorn

 

 

Die Aggregate röhren auf, ab jetzt verstummen die Gespräche. Der Rumpf hebt sich aus dem Wasser. Nassau verschwindet hinter dem Flaggenstock.

Der Himmel besteht aus kompakten schwarzgrauen Wolken, die ihre Bereitschaft signalisieren, jederzeit eine kleine Sintflut losbrechen zu lassen. Die See verharrt wie unter Schock bewegungslos, da schwappt keine Welle, da schäumt keine Krone. Aber hinter dem Heck des Bootes ist die Hölle los. Das Powerboat arbeitet nicht mit Schrauben, sondern mit Wasserdruck aus Düsen. Dies sei im flachen Revier der Bahamas günstiger, sagt der coole Nigel mit dem scharf geschnittenen Kinnbart. Es sei schon schwierig, eine Tiefe mehr als zehn Metern zu finden. Baja mar, flaches Meer, so nannten die Spanier diese See. Die 700 Inseln und zahlosen Cays sind nur die vielen Spitzen eines flachen Sockels. Wir sind unterwegs zu einer dieser Spitzen, Ship Channel Cay, das am Rande der flachen Bahamas liegt. Dahinter beginnt der tiefe Atlantik.

Nach dem ersten Schrecken ist das Gefühl gewaltig. Alle einschlägigen Triumphmärsche mit  Trompeten, Kesselpauken und schmetternden Hörnern toben einem durch’s Gehirn. Es fühlt sich an, als ob sich die Kraft der Motore auf den Passagier übertrage. Der Fahrtwind zerrt an Kleidung, Regentropfen schlagen wie Nadeln auf die Haut, das Springen des Bootes auf die Wellen fühlt man unter den Sohlen wie eine lustvolle Bastonade. Über die Riffe jagend und sich den Böen entgegenstemmend erwacht ein grandioses James-Bond-feeling. In dieser Laune könnte man die Welt retten und Frauen glücklich machen. Sehr glücklich.

Die Frisur ist natürlich im Eimer.

Als der Wind nachlässt und der Bug sich senkt, sind wir in einem anderen Film. Es ist heiß, der Himmel ist düster verhangen, weiter hinten liegen andere Inseln als baumlose Silhouetten flach im Wasser. Vorsichtig manövrierte Nigel das Boot gegen die Strömung an den Anleger. Der Steg steht auf hölzernen Stelzen im Wasser, darüber eine überdachte Veranda auf noch höheren Stelzen.           1929, da waren die Bahamas noch britisch, hat ein Sir Wallace sich ein Ferienhaus auf Ship Channel Cay gebaut und Schweine ausgesetzt. Das Haus wurde noch im selben Jahr durch einen Hurrikan ruiniert, denn das Inselchen liegt unglücklich in einer Hurrikan-Gasse. Sir Wallace gab auf. Aber die Schweine hielten durch, wandten sich vom zivilisierten Gehabe ab und kehrten zu ihrem Naturzustand zurück. Sie tragen machtvollen Hauer im Unterkiefer und sehen sie sehr wehrhaft aus. Eines von ihnen liegt in friedlicher Koexistenz hinter dem Haus. Ein Schild sagt, man soll es nicht füttern, ein Blick auf die Hauer sagt, man soll es nicht anfassen.

Unsicher gehen wir auf das Haus zu. Unter dem Steg ein erstaunliches Bild: Im Wasser steht ein Tisch. Ein Mann mit einem langen Messer steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser und zerlegt einen riesigen, dickschädligen Fisch. Rochen umspielen seine Knie.

Wenig später stehen wir etwas nervös in einer Reihe knietief im kristallklaren Wasser, umschwärmt von Rochen und Haien. Vor uns steht Brownie, der Zeremonienmeister. Brownies Haut ist kaffeefarben, er trägt schwarze Afrolocken und das blendende Lachen, das aus guter Laune entspringt. „Brownie“ steht in einem großen Tatoo auf seinem schlanken Bauch. Sieht man ihm zu, kann es keinen schöneren Job geben als im Meer zu stehen und aufzupassen, dass die Haie den Fütterer nicht mit dem Futter verwechseln.

Brownie gibt uns klein geschnittene Häppchen vom Fisch. Wir klemmen sie zwischen zwei Finger und legen sie flach über den Handrücken. Mutig tauchen wir die Hand unter. Im Segelflug streifen die Rochen die Reihe entlang und holen sich ihre Happen. Die Rochenhaut fühlt sich an wie der Latexanzug eines Surfers, aber darunter spürt man die Muskeln mit ihrer enormen Kraft und Geschmeidigkeit.

Wenn der Rochen am Fisch zieht, hatte Brownie gesagt, sollen wir loslassen. Der Rochen holt sich den Fisch sowieso, mit Finger oder ohne. Beim zweiten oder dritten Durchgang fällt auch auf, was man in der Aufregung des ersten Kontakts glatt übersehen hat – der Rochen hat auch einen Stachel.

Die Ammen- und Zitronenhaie, die in der zweiten Reihe warten, müssen sich ihr Futter verdienen. Der massive Fischkopf wird an einer Leine ins Wasser geworfen. Dann beginnt ein Tauziehen um die Beute, das Wasser kocht, spritzt, der Hai wirft sich hin und her und holt sich seinen Anteil. Eine junge Frau will auch mal mit dem Hai kämpfen. Sie nimmt das Seil in beide Hände. Der Hai ruckt, die Frau zuckt. Das Seil ist weg, der Köder ist weg, der Hai ist weg.

Es gibt Barbecue. Es gibt Cocktails. Es gibt Bier in Mengen. Manche stromern über den Strand, spielen mit den Hunden oder fotografieren aus sicherer Entfernung das wehrhafte Schwein, das hinter dem Haus schläft. Die Bahamaer haben ein ganz eigenes Freizeitkonzept: Männer und Frauen stehen im Kreis im Wasser, die Gläser in der Hand, erzählen sich was und passen auf, dass die Getränke nicht warm werden. In immer kürzeren Abständen gehen Lachsalven über das Meer.

Wasser, Sonne, Strand - das geht stundenlang so.

Gelegentlich schaut ein Hai vorbei, ob es noch was zu fressen gibt, und zieht frustriert davon. Ein Nachbar im Motorboot legt an, tauscht Bier gegen Barbeque.

Reden, schnorcheln, trinken – das geht stundenlang so. Es gibt nichts zu tun. Das sind die Bahamas.

Auf dem Weg zurück nach Paradies Island brüllen die Motore. James Bond steht im Bug. Nassau soll sich vorsehen.

 

Das Cockpit ist klein, der Pilot ist groß. Aus der ersten Sitzreihe sieht man den Durchmesser seiner Oberarme. Was der in schwarz auf den Oberarmen hat, das hätte man gern in weiß auf den Schenkeln. Die Cockpitluke ist sichtlich zu schmal für den Mann, also einigen wir uns auf die Erklärung, man habe ihn in seinem Sitz festgeschnallt und die Maschine um ihn herum zusammengenietet. Wir fliegen nach Norden, nach Abacho.

Abacho hat eine schnurgerade Asphaltstraße, die die Insel auf ihrer Länge durchzieht, und zwei Flugplätze. Dazwischen ist selbst nach Meinung von Lokalpatrioten nicht viel los. Die Wälder sind nicht beeindruckend, dazu steht der Grundwasserspiegel zu hoch, aber immer wieder gibt es große Flächen, die mit Kirchen bebaut werden. Wir kommen nach Marsh Harbour. Im Schatten der Bäume werden lebende Krabben aus dem Sumpfgebiet zwischen den Flugplätzen verkauft. Sie sind eine lokale Berühmtheit. Sie werden mit Reis oder dunklem Mehl gekocht, oder man nimmt das Fleisch heraus, bereitet es zu und füllt dann wieder in die Schalen. Wir wollen die Tiere in ihren Drahtkäfigen und die Männer, die sie verkaufen, fotografieren. Macht drei Dollar. Eine Krabbe wäre billiger gekommen.

Marsh Harbour hat eine gewisse regionale Berühmtheit erlangt, weil es im Besitz einer Ampel ist. Auf dem Stadtplan ist ihr Standort vermerkt. Einheimische mit Visionen, so sagt man uns, sollen schon eine zweite Anlage ins Auge gefasst haben.

Nachdem wir die Ampel von Marsh Harbour ausführlich gewürdigt haben, nehmen wir die Fähre nach Elbow Cay, eine kleine Insel mit einer kleinen Stadt. Gerade einmal 260 Einwohner hat Hope Town. Der Grundsatz ist, man sollte die Bahamas von der Küste her bereisen, und Hope Town ist das Ideal dafür. Die Stadt liegt auf einer schlanken Insel und hat nur zwei Straßen, eine westliche und östliche. Wenn der Wind günstig steht, kann man seine Mütze von einer Straße auf die andere werfen. Bunte Holzhäuser in grün, violett, lila prägen das Bild des Örtchens, alles liegt am Wasser, entweder am Hafen oder am Strand.

Nachdem die Briten die Piraten vertrieben hatten, begann das moderne Leben von Hope Town. Aus South Carolina flüchtend besiedelten „Loyalisten“, die die rebellische Loslösung der amerikanischen Kolonien von der britischen Krone nicht mitmachen wollten, einige Inseln der Bahamas. Sie hatten verloren und fürchteten die blutige Rache der Sieger. Am Hafen steht ein kniehohes Denkmal aus drei Kalksteinbrocken – mehr Platz bietet die Insel nicht. Auf einer Metallplatte steht: It is believed, that on this beach the first loyalists landed in Hope Town 1785. Das Erbe der Exilanten ist das Stadtbild, sind die kleinen Häuschen, die aussehen wie aus einem Dorf im ländlichen Amerika. Es gibt keine lärmenden Autos auf den schmalen Straßen, nur leise schnupselnde Golfcarts und die eigenen Schuhe. Kleine Pensionen, kleine Läden, auch der Coffee-Shop ist kein Starbucks, sondern ein gemütliches Lokal auf dem Landrücken mit Blick auf den Hafen vorn und das offene Meer hinten.

Es ist wirklich ruhig.

Hope Town wird beherrscht von einem Leuchtturm, der so zuckrig rosa angestrichen ist wie ein Dauerlutscher. Von oben sehen wir im gleißenden Licht der Tropensonne die flachen bunten Hochhäuser, den natürlich gewundenen Hafen mit den vielen Yachten und weit weg den Horizont. Noch weiter am Horizont liegt Grand Bahama, dort haben beneidenswerte Johnny Depp und die schöne Keira Knightly mit dem hoch geschnürten Seeräuberleibchen ihren Piratenfilm gedreht. Man steht oben auf dem Leuchtturm, Wind weht durchs Haar, man spürt das bahamaische Lächeln auf den eigenen Lippen und man denkt: Freibeuter. Das wär’s!

Dann verdunkeln sich der Himmel, der Hafen, das Meer und ein markerschütternder Wolkenbruch geht nieder.

 

Informationen:

Bahamas Tourist Office

c/o Herzog HC Marketing

Friesstr. 3

60 388 Frankfurt a. M.

www.bahamas.de

Flug:

British Airways fliegt mit zubringern von verschiedenen deutschen Flughäfen über Heathrow nach Nassau.

 

Ab 13. November fliegt die Freizeitfluggesellschaft der Thomas Cook AG jeweils einmal pro Woche nach

Nassau.

 

© Paul Stänner